Sie sind hier: Infothek - Rund ums Herz-Kreislauf-System - Blutdruckvariabilität - was bedeuten Blutdruckschwankungen?

Blutdruckvariabilität: Warum der Blutdruck nicht nur „hoch oder niedrig“ ist – was Studien über Blutdruckschwankungen zeigen

Viele Menschen mit Bluthochdruck kennen die Situation: Beim Arzt ist der Blutdruck mal höher, mal niedriger. Auch zu Hause schwanken die Werte von Messung zu Messung. Lange Zeit dachte man, das sei normal und nicht weiter wichtig – entscheidend sei nur der durchschnittliche Blutdruck.

Doch die Forschung zeigt: Wie stark der Blutdruck schwankt, kann genauso wichtig sein wie der Mittelwert selbst. Große Studien haben untersucht, ob Schwankungen im Blutdruck – also die sogenannte Blutdruckvariabilität – das Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen beeinflussen.

BlutdruckDaten zeigt aus diesem Grund die weiter unten genannten Kennwerte der Blutdruckvariabilität ab Version 8.3.0 für Premium-Mitglieder an.

Was ist Blutdruckvariabilität?

Der Blutdruck verändert sich ständig – von Schlag zu Schlag, über den Tag, von Tag zu Tag oder von Arztbesuch zu Arztbesuch. Diese Schwankungen nennt man Blutdruckvariabilität. Man unterscheidet:

  • Kurzfristige Schwankungen – über Minuten oder Stunden (z. B. im 24-Stunden-Messgerät)
  • Mittelfristige Schwankungen – über Tage oder Wochen (z. B. bei Messungen zu Hause)
  • Langfristige Schwankungen – über Monate oder Jahre (z. B. zwischen Arztbesuchen)

Forscher wollten wissen: Haben Menschen mit stärkeren Schwankungen ein höheres Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Tod?

Die wichtigsten Studien

1. BMJ-Studie 2016 (Oxford-Forscherteam)

Diese große Meta-Analyse fasste über 40 Studien mit zehntausenden Menschen zusammen.

Ergebnis:

  • Höhere Blutdruckvariabilität ging mit einem deutlich höheren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall) einher.
  • Auch die Sterblichkeit (gesamt und kardiovaskulär) war erhöht.

Der Zusammenhang blieb bestehen, wenn der durchschnittliche Blutdruck mitberücksichtigt wurde. Das heißt: Nicht nur wie hoch der Blutdruck ist, sondern auch wie gleichmäßig er bleibt, beeinflusst das Risiko.

2. JAMA-Network-Open-Studie (USA, 2021)

Untersucht wurden ältere Menschen mit Bluthochdruck und koronarer Herzkrankheit.

Ergebnis:

  • Wer über ein Jahr hinweg stärkere Blutdruckschwankungen zwischen Arztbesuchen hatte, starb in den Folgejahren häufiger – bei ähnlichem Durchschnittswert.
  • Der Effekt war bei Frauen stärker als bei Männern.

Bedeutung: Große Variabilität kann langfristig gefährlicher sein, besonders bei älteren Patientinnen.

3. Review von Parati et al. (Journal of Hypertension, 2005)

Übersichtsarbeit zu Entstehung und Messung der Blutdruckvariabilität.

  • Menschen mit Bluthochdruck zeigen oft größere Schwankungen.
  • Schwankungen können unabhängig vom Mittelwert zu Schäden an Herz, Nieren und Gefäßen beitragen.
  • Langwirksame Medikamente, die über 24 h gleichmäßig wirken, können Schwankungen verringern.

Fazit: Nicht nur „den einen Wert“, sondern den Verlauf beachten.

4. Fachbuch: Blood Pressure and Arterial Wall Mechanics in Cardiovascular Diseases

Physikalische Grundlagen: Steifere Gefäße (z. B. im Alter, durch Arteriosklerose) reagieren empfindlicher auf Druckänderungen – die Schwankungen nehmen zu. Das Zusammenspiel von Gefäßelastizität und Variabilität beeinflusst das Risiko für Herz- und Gefäßkrankheiten.

Wie man Blutdruckvariabilität misst – die wichtigsten Kennzahlen

Forscher benutzen verschiedene Maße, um zu beschreiben, wie stark der Blutdruck schwankt. Hier sind vier wichtige Begriffe:

1. Standardabweichung (SD – Standard Deviation)

Bedeutung: Die SD zeigt, wie weit die Messungen vom Durchschnitt entfernt sind. Je größer, desto stärker die Schwankung.

Beispiel:

  • Durchschnitt: 130 mmHg
  • Messungen: 128–132 → SD = 2 mmHg (stabil)
  • Messungen: 120–140 → SD = 10 mmHg (instabil)

Richtwerte: SD < 6 mmHg = stabil · 6–12 mmHg = mäßig · > 12 mmHg = stark schwankend

2. Variationskoeffizient (CV – Coefficient of Variation)

Bedeutung: Setzt die Schwankung in Beziehung zum Durchschnitt.

Formel: CV = (SD / Mittelwert) × 100 %

Beispiel:

  • Person A: Mittelwert = 100 mmHg, SD = 10 → CV = 10 %
  • Person B: Mittelwert = 150 mmHg, SD = 10 → CV ≈ 6,7 %

Richtwerte: CV < 8 % = stabil · 8–12 % = mäßig · > 12 % = stark schwankend

3. Durchschnittliche reale Variabilität (ARV – Average Real Variability)

Bedeutung: Misst, wie stark sich der Blutdruck von Messung zu Messung ändert; die Reihenfolge wird berücksichtigt.

Beispiel:

  • 120 → 125 → 130 → 135 mmHg → ARV = 5 mmHg (stabil)
  • 120 → 140 → 115 → 135 mmHg → ARV ≈ 22 mmHg (stark schwankend)

Richtwerte: ARV < 7 mmHg = stabil · 7–12 mmHg = mäßig · > 12 mmHg = hoch

4. Variabilität unabhängig vom Mittelwert (VIM – Variability Independent of the Mean)

Bedeutung: Korrigiert den Einfluss höherer Mittelwerte auf die Schwankungsgröße und zeigt damit die „echte“ Unruhe.

  • Hoher VIM = instabiler Blutdruck, auch bei normalem Mittelwert.
  • Niedriger VIM = stabile Werte, unabhängig vom Niveau.

Bewertung: Keine festen Grenzwerte; je kleiner, desto stabiler.

Kurzüberblick – was die Zahlen bedeuten

Übersicht wichtiger Maße der Blutdruckvariabilität
MaßBeschreibungTypische WerteHohe Zahl bedeutet …
SDStreuung aller Werte um den Durchschnitt< 6 = stabil · 6–12 = mäßig · > 12 = instabilBlutdruck schwankt stark
CVSchwankung relativ zum Durchschnitt (in %)< 8 % = stabil · 8–12 % = mäßig · > 12 % = instabilGroße relative Schwankung
ARVMittlere Differenz aufeinanderfolgender Messungen< 7 = stabil · 7–12 = mäßig · > 12 = instabilBlutdruck „springt“ stark
VIMSchwankung unabhängig vom Durchschnittkeine festen Werte„Echte“ Instabilität, unabhängig vom Mittelwert

Mindestanforderungen zur Berechnung dieser Werte

Damit Kennzahlen wie SD, CV, ARV oder VIM zuverlässig sind, brauchen sie genügend und gute Messdaten. Ein oder zwei Messungen sagen wenig aus – sie könnten Zufall sein.

1. Anzahl der Messungen

Empfohlene Mindestanzahl je Messart
Art der MessungEmpfohlene MindestanzahlWarum das wichtig ist
24-Stunden-Messung (ambulant)Mindestens 40–50 gültige Einzelwerte (Tag + Nacht)Erst dann erkennt man typische Tag-Nacht-Schwankungen
Heimmessung (zu Hause)Mindestens 2 Messungen/Tag über 7 Tage → ca. 14 Messungen oder mehrLiefert ein realistisches Bild der täglichen Schwankungen
Langzeitverlauf (Arztbesuche)Mindestens 3–4 Termine über mehrere MonateNur so erkennt man langfristige Trends und Variabilität

Je mehr Messungen, desto genauer und aussagekräftiger sind die Werte. Unter 10 Messungen sind SD, CV, ARV und VIM nicht verlässlich.

2. Zeitabstände der Messungen

  • Messungen möglichst gleichmäßig über die Zeit verteilen.
  • Bei 24-Stunden-Messungen: tagsüber alle 20–30 Minuten, nachts etwa stündlich.
  • Bei Heimmessungen möglichst immer zur gleichen Zeit (z. B. morgens und abends).
  • Große Pausen verfälschen das Ergebnis.

3. Messqualität

  • Möglichst immer dasselbe Blutdruckmessgerät verwenden.
  • Vor der Messung 5 Minuten ruhig sitzen.
  • Direkt davor kein Kaffee, keine Bewegung, kein Stress.
  • Messfehler/Ausreißer (z. B. falsche Manschettenlage) aussortieren.

4. Spezielle Mindestanforderungen pro Kennzahl

Zusätzliche Anforderungen
KennzahlFür eine verlässliche Berechnung braucht man …
SD (Standardabweichung)Mindestens 10–15 Messungen unter ähnlichen Bedingungen
CV (Variationskoeffizient)Wie SD, zusätzlich den Mittelwert derselben Daten
ARV (Average Real Variability)Mindestens 3–4 aufeinanderfolgende Messungen, besser > 10
VIM (Variability Independent of Mean)Größere Datenbasis, z. B. mehrere Tage/Wochen, ideal > 20 Messungen

Einfach gesagt

  • Einzelne Messungen reichen nicht.
  • Mindestens eine Woche Heimmessung oder eine 24-Stunden-Messung ist nötig, um verlässliche Schwankungswerte zu berechnen.
  • Regelmäßigkeit und gleiche Bedingungen sind wichtiger als die reine Anzahl.

Beispiel aus der Praxis

Bei Messungen eine Woche lang morgens und abends (≈ 14 Messungen) kann man SD, CV und ARV zuverlässig berechnen. Mit zusätzlicher 24-Stunden-Messung oder über mehrere Wochen lässt sich auch VIM bestimmen – das ergibt ein umfassendes Bild der Blutdruckstabilität.

Fazit

Die Forschung zeigt klar: Nicht nur wie hoch, sondern auch wie gleichmäßig der Blutdruck ist, kann über Gesundheit und Lebensdauer entscheiden.

  • Regelmäßig messen
  • Schwankungen ernst nehmen
  • Mit Arzt/Ärztin besprechen, wie man sie verringern kann

Ein stabiler Blutdruck schützt Herz, Gehirn und Gefäße – und ist ein wichtiger Schritt zu einem gesünderen Leben. Um Blutdruckschwankungen leicht erkennbar zu machen, können diese ab App-Version 8.3.0 in der BlutdruckDaten-App für Premium-Mitglieder angezeigt werden.

Quellen und weiterführende Literatur

  1. Stevens, S. L., Wood, S., Koshiaris, C., et al. (2016). Blood pressure variability and cardiovascular disease: Systematic review and meta-analysis. The BMJ, 354, i4098. bmj.com
  2. Li, J., Zhao, D., Wei, X., et al. (2021). Association of 1-Year Blood Pressure Variability With Long-Term Mortality in Older Patients With Hypertension and Coronary Artery Disease. JAMA Network Open, 4(4), e219301. jamanetwork.com
  3. Parati, G., Pomidossi, G., Albini, F., Malaspina, D., & Mancia, G. (2005). Blood pressure variability: Its measurement and significance in hypertension. Journal of Hypertension, 23(Suppl. 1), S19–S25. journals.lww.com
  4. O’Rourke, M. F., & Hashimoto, J. (2013). Blood Pressure and Arterial Wall Mechanics in Cardiovascular Diseases. London: Springer. springer.com
  5. Deutsche Hochdruckliga (DHL) / Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention. Leitlinien zur Blutdruckmessung und Selbstkontrolle, 2023. hochdruckliga.de
  6. European Society of Hypertension (ESH). (2023). ESH Guidelines for the management of arterial hypertension. Journal of Hypertension, 41(6), 1873–2081.

Dieser Artikel stammt von BlutdruckDaten – der seit 2011 führenden App, die täglich Hunderttausende bei der Blutdruckkontrolle unterstützt. Unsere Inhalte basieren auf sorgfältig recherchierten, evidenzbasierten Daten und werden kontinuierlich aktualisiert (Stand 10/2025).

Autorin Sabine Croci ist examinierte Medizinische Fachangestellte mit langjähriger Erfahrung in internistischer und kardiologischer Praxis wie auch in der ambulanten Pflege und leitet seit 2015 die Fachredaktion von BlutdruckDaten. Dank ihrer umfassenden Zusatzqualifikationen als Rettungssanitäterin, First Responder und in verschiedenen Therapie- sowie Notfallbereichen liefert sie fundierte, praxisnahe und verlässlich geprüfte Informationen.

Ähnliche Artikel:
Weitere Informationen suchen zu