Blutdruckmessung mit App, Smartwatch, Fitnesstracker und Co.
Blutdruckmessen ohne Manschette
Wie funktioniert die Messung?
Die Geräte messen und analysieren die Pulswelle, die vom Herzen ausgeht. Bestimmt wird die Pulswellenlaufzeit (eng. Pulse Transit Time - PTT). Je höher der Blutdruck, desto angespannter sind die Gefäße und desto schneller die Pulswelle. Das kann man sich vorstellen wie einen Fußball, der auch umso leichter rollt, wenn er stark aufgepumpt ist. Auf diese Weise kann man zwar nicht den Blutdruck selbst, aber eine Änderung des Blutdrucks feststellen. Daher benötigen die Geräte auch immer Referenzmessungen. Es wird seit vielen Jahren an dieser Technik geforscht. Alternativ werden photoplethysmographische (PPG) Signale genutzt, die App OptiBP nutzt beispielsweise diesen Ansatz.
Anders als bei herkömmlichen Messgeräten mit Manschette ist es bei diesen neuartigen Geräten unerheblich, ob sich der Messpunkt auf Herzhöhe befindet oder nicht. Zur Messung muss man sich lediglich ruhig verhalten. Die Geräte haben oft auch einen Sensor, der Bewegungen erkennt und sie als Fehler anzeigt beziehungsweise die Messung verwirft.
Sind die Messergebnisse korrekt?
Man muss hier grundsätzlich zwischen zwei Kategorien dieser Geräte unterscheiden. Es gibt auf dem Gebiet sehr einfache Geräte, die meistens auch sehr günstig sind. Diese bieten eine Blutdruckmessung an, sind aber nicht als Medizinprodukt zertifiziert. Die Ergebnisse sind - nun ja - komplett nutzlos. Das ist eine Spaßfunktion, die den wirklichen Blutdruck so gut bestimmt wie ein Würfel.
Aber es gibt auch Geräte, die als Medizinprodukt zugelassen sind. In dem Fall wurde die Messgenauigkeit validiert. Als Beispiel sind die Galaxy Watch Uhren von Samsung, das Aktiia-Armband (neuer Name Hilo) oder die App OptiBP zu nennen.
Hier muss das Gerät bzw. die App üblicherweise auf den einzelnen Nutzer kalibriert werden. Das bedeutet, dass man mit einem üblichen Messgerät mit Manschette misst und parallel dazu mit dem Gerät. Es sind meist zwei oder drei Messungen erforderlich. Diese Kalibrierung muss regelmäßig wiederholt werden - üblicherweise monatlich. In der Zwischenzeit kann bequem und jederzeit ohne Manschette gemessen werden.
Wie gut funktioniert das in der Praxis?
Leider müssen wir die Erwartungen bremsen. Wir haben sowohl eine Samsung Galaxy Watch, das Hilo-Armband und die App OptiBP ausführlich getestet.
Die gute Nachricht: Es funktioniert wirklich! Man sieht tatsächlich realistische Messwerte und auch die normalen Schwankungen im Tagesverlauf sind gut zu sehen.
Allerdings bewegen sich die Messung immer nur um die Werte der Kalibrierung. In unserem Vergleich haben wir das Aktiia-Armband mit leitliniengerechten Heimmessungen über eine Woche mit den Daten aus einem herkömmlichen Messgerät verglichen. Die Abweichung betrug systolisch 15 mmHg und diastolisch 4 mmHg. Bei der Galaxy Watch 3 haben wir keine so ausführliche Testreihe durchgeführt, aber im direkten Vergleich mit Manschettengerät und Uhr waren die Unterschiede teilweise deutlich. Die App OptiBP zeigte Abweichungen bis zu 12 mmHG systolisch und 15 mmHG diastolisch, nach einer erneuten Kalibrierung verkleinerte sich die diastolische Abweichung zumindest deutlich.
Zur Validierung von Geräten mit kontinuierlichen Messungen ist die Norm DIN EN ISO 81060-3 oder DIN EN ISO 81060-5 vorgesehen. Da die Geräte während alltäglicher Aktivitäten getragen werden, müssen sie genaue Messungen auch bei Bewegung ermöglichen und sie müssen in der Lage sein, den Blutdruck über längere Zeiträume hinweg stabil und zuverlässig zu überwachen. Samsung oder auch der Hersteller von Aktiia nutzten jedoch die Norm DIN EN ISO 81060-2 zur Validierung.
Man kann sich das vereinfacht so vorstellen: Bei einem Messgerätetest nach DIN EN ISO 81060-2 wird der Blutdruck manuell als Referenz und mit dem Gerät mehrfach abwechselnd gemessen. Während dieser Messreihe sind die Werte normalerweise recht nah beieinander, da keine Tätigkeiten stattfinden und es auch zeitlich nah beieinander liegt. Für ein Manschettengerät reicht das als Prüfung. Die manschettenlosen Geräte werden aber wie erwähnt kalibriert. Alles was die nun tun müssten, ist einfach diesen Wert unverändert immer wieder anzeigen und hätten so gute Chancen die Prüfung zu bestehen. Das ist einfach völlig ungeeignet um eine Aussage über die Messqualität zu treffen.
Die Hersteller werben gerne mit Studien, welche die Genauigkeit belegen sollen. Hier muss man sich diese genau ansehen. Beispielsweise haben wir schon eine Studie gesehen, bei der die Test-Messungen nur zeitnah nach der Kalibrierung durchgeführt wurden. Das sagt über die Qualität der Messergebnisse dann leider nur wenig aus.
Studie
Eine internationale Übersichtsarbeit im JAMA Cardiology (April 2025) kommt zu einem ernüchternden Ergebnis: Bislang hat kein manschettenloses Blutdruck-Messgerät die strengen Genauigkeitsprüfungen bestanden, die für klassische Oberarmmanschetten gelten. Die meisten Modelle müssen zunächst mit einer herkömmlichen Manschette „eingestellt“ werden und können danach leicht um 5 – 10 mmHg vom tatsächlichen Wert abweichen – erst recht, wenn man sich bewegt, Sport treibt oder nachts schläft. Zudem beeinflussen Faktoren wie Hautpigmentierung, Adipositas, Gefäßsteifigkeit, Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) oder Tremor die optischen Sensoren (PPG) dieser Geräte und vergrößern die Messfehler. Solche Ungenauigkeiten erhöhen das Risiko, Blutdruckmedikamente zu hoch oder zu niedrig zu dosieren. Fachleute empfehlen deshalb, bis auf Weiteres nur Geräte zu verwenden, die in unabhängigen Prüfverfahren nachweislich präzise sind, und die manschettenlosen Modelle als interessante, aber noch nicht ausgereifte Ergänzung zu betrachten.
Resultat
Werden bei der Kalibrierung hohe Werte gemessen, werden diese dann auch im Alltagsgebrauch erscheinen. Liegen die Kalibrierungswerte im normalen Bereich, werden im Alltag auch eher normale Werte gemessen werden. Das ist immer noch zu sehr geraten, geschätzt oder gewürfelt, als dass es tatsächlich brauchbar wäre. Gerade bei Bluthochdruck schwanken die Werte mitunter deutlicher, als es die Kalibrierung des manschettenlosen Gerätes wahrhaben und zulassen will.
In der Praxis verzichten wir gerne auf das Aktiia-Armband, weil es unangenehm zu tragen ist und mangels Wasserdichtheit oft abgenommen und angelegt werden muss. Dafür bekommt man wenig hilfreiche Messergebnisse.
Die Galaxy Watch ist als Smartwatch sehr gut zu gebrauchen. Aufgrund der eher unglaubwürdigen Messergebnisse verloren wir die regelmäßigen Messungen jedoch aus den Augen - die Messfunktion wurde quasi nicht mehr genutzt. Als die Uhr dann jeden Monat kalibriert werden wollte, schalteten wir die Funktion lieber ganz ab, als einmal im Monat Aufwand für nichts zu haben.
Die App OptiBP wäre hier unkompliziert, weil man sie immer dabei hätte. Allerdings sind die laufenden Abo-Kosten der App dann doch zu hoch, dafür dass die Werte noch zu unzuverlässig sind.
Fazit Juli 2025: Für Bluthochdruckpatienten geht leider noch kein Weg an der Manschette vorbei.
Im Juni 2025 fand das IEEE EMBS Symposia: Recent Advances in Cuffless Blood Pressure statt, in dem der aktuelle Stand diskutiert wurde. Wir waren für Sie dabei. Dabei wurde deutlich, dass die Technologie noch nicht für den breiten klinischen Einsatz als Ersatz für traditionelle Methoden bereit ist. Hauptgründe hierfür sind fundamentale Herausforderungen bei der Validierung der Genauigkeit, insbesondere beim Verfolgen von Blutdruckänderungen (Trend-Tracking) über verschiedene Zeiträume hinweg. Experten betonten die Notwendigkeit strenger, unabhängiger Validierungsstudien, die über die reine punktuelle Genauigkeit hinausgehen und klinische Relevanz sowie die Verbesserung von Patientenergebnissen belegen. Es besteht ein klarer Bedarf an medizinischer Zulassung für Geräte, die Blutdruckwerte liefern. Die Praxisanwendung ist daher erst nach Erfüllung dieser strengen Anforderungen, dem Nachweis eines klinischen Nutzens in Outcome-Studien und der Etablierung klarer Anwendungsrichtlinien denkbar.
Hybrid aus Blutdruckuhr und Smartwatch: Huawei Watch D
Von Huawei gibt es mit der Huawei Watch D eine richtige Smartwatch, die zusätzlich eine Blutdruckmessung mit integrierter Manschette bietet. Da es sich um eine Messung mit Manschette - ähnlich einem üblichen Messgerät - handelt, gilt das hier gesagte nicht. Nähere Informationen in unserem Artikel zu Blutdruckuhren.
Blutdruckmessung mit der Kamera
Es gibt auch Anbieter, die mit einem 60-Sekunden-Video des Gesichts einige Vitalparameter bestimmen. Dazu gehört auch der Blutdruck. Das ist sehr innovativ, wir haben uns die Lösung von Binah.ai daher angesehen. Allerdings lag in unserem Test der ermittelte Blutdruck doch um ca. 15 mmHg neben dem Wert vom Messgerät. Schade, aber das ist der Stand von Ende 2023. Vielleicht gibt es in Zukunft noch bessere Ergebnisse.
Quellen:
- https://www.thieme-connect.com/products/ejournals/abstract/10.1055/s-0035-1555649
- https://eu.nihonkohden.com/de/innovative-technologies/pwtt
- https://somnomedics.de/wp-content/uploads/2017/07/Patzak_Klinikarzt_Kont_BP_Messung_mittels_PTT_Anwendungsgebiete.pdf
- https://aktiia.com/de/blutdruckmessgeraet/
- https://www.samsung.com/de/watches/galaxy-watch/galaxy-watch3-45mm-mystic-black-lte-sm-r845fzkaeub/
- https://biospectal.com/de/
- https://jamanetwork.com/journals/jamacardiology/fullarticle/2832857
Dieser Artikel stammt von BlutdruckDaten – der seit 2011 führenden App, die täglich Hunderttausende bei der Blutdruckkontrolle unterstützt.
Unsere Inhalte basieren auf sorgfältig recherchierten, evidenzbasierten Daten und werden kontinuierlich aktualisiert (Stand 07/2025).
Autor Horst Klier befasst sich seit 2002 – zunächst aus eigener Betroffenheit und seit 2009 als Entwickler von BlutdruckDaten – intensiv mit Bluthochdruck; dank seiner millionenfach genutzten App und Fachplattform sowie zahlreichen Publikationen gilt er heute als ausgewiesener Blutdruck-Experte. Als Autor mehrerer Gesundheitsratgeber und Fachartikel vermittelt er komplexes Wissen verständlich und praxisnah.
Autor Horst Klier befasst sich seit 2002 – zunächst aus eigener Betroffenheit und seit 2009 als Entwickler von BlutdruckDaten – intensiv mit Bluthochdruck; dank seiner millionenfach genutzten App und Fachplattform sowie zahlreichen Publikationen gilt er heute als ausgewiesener Blutdruck-Experte. Als Autor mehrerer Gesundheitsratgeber und Fachartikel vermittelt er komplexes Wissen verständlich und praxisnah.

